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EU-Ratspräsidentschaft – Was bedeutet das?

Jedes Halbjahr übernimmt ein anderer EU-Mitgliedstaat die Ratspräsidentschaft – d.h. den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Dieser wird auch Ministerrat genannt, da die EU-Mitgliedstaaten dort durch Fachministerinnen und -minister vertreten werden.

Der Rat tagt je nach Thema in zehn unterschiedlichen Formationen. So gibt es zum Beispiel den Rat für Umwelt. Den Vorsitz hat in der Regel die Fachministerin oder der Fachminister inne, dessen Land den Vorsitz führt. Während der deutschen Ratspräsidentschaft ist das für Umwelt Svenja Schulze.

Die Hauptaufgabe des Rates ist es, auf Grundlage eines Vorschlags der Kommission, gemeinsam mit dem Europäischen Parlament Richtlinien und Verordnungen der EU zu beraten und zu beschließen (Verordnungen gelten in den Mitgliedstaaten unmittelbar). Vorbereitet werden die Räte vor allem durch den Ausschuss der Ständigen Vertreter. In ihm kommen die Botschafterinnen und Botschafter der EU-Mitgliedstaaten zusammen, in der Ratspräsidentschaft unter Leitung des deutschen EU-Botschafters bzw. seiner Stellvertreterin. Zuvor werden in den Arbeitsgruppen, in denen die Mitgliedstaaten durch Beamte der Fachministerien vertreten sind, die Legislativvorhaben fachlich beraten.

Rat der EU und Europäischer Rat – wie unterscheiden sich beide Institutionen?

Oft wird der Rat der EU mit dem Europäischen Rat verwechselt. Im Europäischen Rat treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU mindestens vier Mal im Jahr. Sie beschließen keine Gesetze, sondern geben wichtige Impulse und stellen die politischen Weichen für die EU. Dem Europäischen Rat sitzt ein fester Präsident vor, der für jeweils zweieinhalb Jahre gewählt wird. Seit Dezember 2019 ist das der ehemalige belgische Premierminister Charles Michel.

Angesichts der aktuellen Lage besprechen sich die Staats- und Regierungschefs der EU momentan in Form von Videokonferenzen. Natürlich ist es für die Beratung politischer Fragen besser sich von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Mit Blick auf die krisenbedingten Einschränkungen sind diese regelmäßigen Videokonferenzen aber die beste Möglichkeit, einen intensiven Austausch zu ermöglichen, der angesichts der enormen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie wichtig ist.

Weitere Informationen finden Sie hier: „Wie funktioniert Europa?“

Übrigens: Der Europarat ist kein Gremium der Europäischen Union, sondern eine Internationale Organisation zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Demokratie in ganz Europa, der 47 europäische Staaten angehören, darunter auch die 27 EU-Mitgliedstaaten (Vom 18. November 2020 bis zum 21. Mai 2021 übernimmt Deutschland übrigens auch die Präsidentschaft des Ministerkomitees des Europarats).

Was sind die Aufgaben einer EU-Ratspräsidentschaft?

Eine EU-Ratspräsidentschaft bedeutet für das betreffende Land viel Verantwortung.

  • Die Ratspräsidentschaft organisiert und leitet alle Ratssitzungen. In einem halben Jahr können das von der Fach- bis zur Ministerebene insgesamt mehr als 1.500 Treffen sein. Neben den Sitzungen der Ministerinnen und Minister gibt es rund 200 Arbeitsgruppen und Ausschüsse. Informationen zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Sitzungen finden Sie hier.
  • Außerdem vertritt die Ratspräsidentschaft den Rat gegenüber den anderen EU-Institutionen, vor allem gegenüber der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament, mit dem es auch die sogenannten Trilogverhandlungen, also die Verhandlungen zwischen den drei Institutionen zur Verabschiedung von Legislativakten (ordentliches Gesetzgebungsverfahren) führt.
  • Die Ratspräsidentschaft kann die EU auch auf internationaler Ebene vertreten, wobei Zuständigkeiten innerhalb der EU auch beim Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, dem Präsidenten des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission liegen bzw. zwischen diesen aufgeteilt sind.

Welche Rolle hat die EU-Ratspräsidentschaft?

Der Ratspräsidentschaft kommt eine neutrale, vermittelnde Rolle zu: Sie muss als „ehrlicher Makler“ auf Kompromisse und Lösungen unter den Mitgliedstaaten im Rat hinarbeiten. Das heißt, die nationale Position tritt in den Hintergrund zugunsten einer vermittelnden Rolle zwischen den Positionen der 27 EU-Mitgliedstaaten.

Der Erfolg einer Ratspräsidentschaft zeigt sich deshalb nicht daran, wie sehr diese ihre nationale Interessen durchgesetzt hat, sondern an der Geschlossenheit und am einheitlichen Auftreten der Mitgliedstaaten im Rat der EU. Höchstes Ziel der Ratspräsidentschaft ist also, dass die 27 Mitgliedstaaten gemeinsam zu den besten Ergebnissen für die Europäische Union und ihre Bürgerinnen und Bürger kommen. Trotzdem kann die Ratspräsidentschaft natürlich auch inhaltliche Schwerpunkte setzen.

Welche Schwerpunkte wird Deutschland setzen?

Die deutsche Ratspräsidentschaft wird anders verlaufen als ursprünglich geplant. Denn es wird ein beherrschendes Thema geben: Die Covid-19-Pandemie und ihre gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen. Übergreifendes Ziel ist es, gemeinsam und zukunftsgerichtet die Herausforderungen der Pandemie zu bewältigen. Deutschland kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Es wird seine ganze Kraft dafür einsetzen, dass Europa gestärkt aus der Krise hervorgeht.

Zugleich werden Themen eine Rolle spielen, die für die Zukunft Europas von großer Bedeutung sind: etwa der nächste Mehrjährige Finanzrahmen, Klimaschutz, Digitalisierung, Rechtstaatlichkeit oder Europas Rolle in der Welt. Gerade bei der Bewältigung der aktuellen Krise werden diese Themen wichtig sein. Auch die Verhandlungen zur Ausgestaltung des künftigen Verhältnisses der EU zum Vereinigten Königreich fallen in diese Zeit.

Was sind informelle Ministertagungen?

Der deutsche Vorsitz leitet nicht nur die Sitzungen des Rates in Brüssel und Luxemburg. Er ist auch Gastgeber informeller Ministertreffen. Sie geben den Ministern Gelegenheit, über aktuelle EU-Angelegenheiten zu beraten.

Ursprünglich war geplant, dass die Ministertagungen während der gesamten Dauer der Ratspräsidentschaft in verschiedenen Städten in Deutschland stattfinden. Aufgrund der Covid-19-Pandemie werden die Treffen mindestens im Juli nun aber verschoben oder in Form von Videokonferenzen durchgeführt.

Wie werden die Sitzungen aufgrund der Corona-Pandemie ablaufen?

Die Covid-19-Pandemie stellt die EU vor große Herausforderungen. Es ist wichtig, dass sich die Mitgliedstaaten auch in dieser Situation in den jeweiligen Ratsgremien weiterhin austauschen und Entscheidungen treffen können. Derzeit machen sie das momentan in Form von Videokonferenzen. Natürlich ist es besser, sich für die Beratung zentraler politischer Fragen persönlich zu begegnen. Trotzdem ist die Entscheidungsfindung in den Gremien sichergestellt. Wichtige Maßnahmen zur Lösung der Krise wurden zuletzt innerhalb kürzester Zeit beraten und beschlossen.

Was ist eine Triopräsidentschaft?

Jeweils drei aufeinander folgende Ratspräsidentschaften bilden eine sogenannte Triopräsidentschaft. Deutschland bildet ein Trio mit Portugal und Slowenien, das den Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2021 umfasst. Das heißt: Portugal übernimmt den Vorsitz im Januar 2021 von Deutschland. Sechs Monate später, im Juli, wird es wiederum von Slowenien abgelöst. Die drei Staaten haben im Vorfeld Schwerpunkte erarbeitet, die sie den anderen Mitgliedstaaten als Programm für die Beratungen im Rat in den insgesamt 18 Monaten vorschlagen.

Was hat sich seit dem letzten deutschen Vorsitz 2007 verändert?

2020 hat Deutschland den Vorsitz zum 13. Mal seit Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957 inne. Zuletzt war das im ersten Halbjahr 2007 der Fall.

Die Ratspräsidentschaft hat sich seitdem sehr verändert. Seit dem Vertrag von Lissabon, der 2009 in Kraft trat, wurde das „ordentliche Gesetzgebungsverfahren“ noch einmal stark ausgeweitet. Das heißt: Rat und Europäisches Parlament sind gleichberechtigte Gesetzgeber in der Europäischen Union. Die Vertretung des Rates gegenüber dem Europäischen Parlament ist zu einer der wichtigsten Aufgaben des Ratsvorsitzes geworden. Deshalb ist es für den Vorsitz wichtig, auf allen Ebenen den Kontakt zum Europäischen Parlament zu pflegen. Außerdem gibt es seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Europäischen Rat und im Außenministerrat je eigene Vorsitze (s. auch oben: Rat der EU und Europäischer Rat).