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Vor kurzem habe ich mit Professor Markus Rex telefoniert, dem Leiter der größten Arktis-Expedition aller Zeiten. Nach einem Jahr, in dem er und sein Team von Wissenschaftlern auf dem Schiff „Polarstern“ quer durch die Arktis gedriftet sind, war er gerade in die nördlichste menschliche Siedlung auf Spitzbergen zurückgekehrt.

Früher als erwartet – denn für eine Strecke, für die mehrere Wochen eingeplant waren, benötigte die „Polarstern“ gerade einmal 6 Tage. Eigentlich ist das ja ein Grund zur Freude, wenn sich die Reisezeit verkürzt und man sein Ziel früher erreicht. Eigentlich. Doch in diesem Fall, meine Damen und Herren, sind dies schlechte Nachrichten.

Professor Rex hat mir von den dramatischen Veränderungen in der Arktis berichtet: Wo in früheren Jahren ohne Eisbrecher kein Durchkommen war, trafen die Forscher auf offene See. Und die Temperaturen am Pol lagen im letzten Winter durchgängig um 7 bis 10 Grad höher als zu Zeiten von Fridtjof Nansen vor 100 Jahren. Wer den menschengemachten Klimawandel angesichts dieser Dramatik noch immer leugnet, der spielt mit dem Überleben der Menschheit.

Und der Klimawandel legt keine Pause ein - auch wenn es in Zeiten von Corona so scheint, als sei die ganze Welt ausgebremst. Grönlands Gletscher schmelzen weiter, Brasiliens und Kaliforniens Wälder brennen weiter, Sibirien stellt weiter neue Hitzerekorde auf.

Und darum muss der Kampf gegen den Klimawandel genauso intensiv geführt werden wie die Suche nach einem Impfstoff gegen Covid-19. Die EU muss dabei vorangehen – dafür setzen wir uns als deutsche EU-Ratspräsidentschaft mit aller Kraft ein. Wir wollen ein klares Bekenntnis des Europäischen Rats zu einem höheren Klimaziel der EU für 2030. Und wir werden die Weichen im EU-Haushalt neu stellen: 30% der EU-Ausgaben in den nächsten sieben Jahren sollen künftig in den Klimaschutz fließen. Auch gegenüber unseren Partnern weltweit werben wir für „green recovery“, einen nachhaltigen Wiederaufbau.

Nach dem jüngsten Bekenntnis von Chinas Staatspräsident Xi Jinping zu höheren chinesischen Klimazielen werden wir China beim Wort nehmen und die Chancen für eine neue Klimaallianz zwischen der EU und China ausloten.

Gleichzeitig wollen wir den Klimadialog mit den USA wieder aufnehmen – und zwar unabhängig davon, wie die Präsidentschaftswahl ausgeht. Svenja Schulze und ich planen einen Neustart der Transatlantischen Klimabrücke, die ganz bewusst nicht nur auf Regierungsebene ansetzt, sondern Bundesländer und Bundesstaaten, Städte, Parlamentarierinnen und Parlamentariern, Unternehmen und die Wissenschaft einbezieht. Der offizielle Startschuss soll bei einer großen Auftaktkonferenz in der ersten Hälfte des kommenden Jahr fallen.

Meine Damen und Herren,

die Arktis-Expedition der „Polarstern“ verdankt ihren Erfolg der Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 20 Nationen, darunter auch aus den USA, Russland und China.

Ich finde, diese Teamleistung sollte uns inspirieren. Zu weniger Abschottung und mehr Kooperation beim Klimaschutz, zu weniger Alleingängen und mehr internationalem Teamplay.

In diesem Sinne: Viel Erfolg bei Ihrer Konferenz! Und ein herzliches, virtuelles Willkommen im Auswärtigen Amt!