Hauptinhalt

Seit Beginn der deutschen Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union steht jeden Donnerstag von 10 bis 15 Uhr ein blaues, elektrisch angetriebenes Fahrzeug mit dem deutschen Präsidentschaftslogo vor dem Reichstag in Berlin. Es handelt sich um das „Infomobil“ des Deutschen Bundestags. Es soll die Bürgerinnen und Bürger über die besonderen Aufgaben informieren, die das deutsche Parlament während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft des Rates übernimmt. „Wir sind als Bundestag, in der Herzkammer unserer Demokratie, Gastgeber für die nationalen Parlamente, die wir zusammenbringen und stärker vernetzen wollen“, erklärte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth bei der Einweihung des Infomobils für die „Parlamentarische Dimension“ der deutschen Ratspräsidentschaft. Aber worum geht es?

Den Dialog zwischen den nationalen Parlamenten und mit dem Europäischen Parlament vertiefen

Traditionsgemäß wird die Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union von jedem Mitgliedstaat der EU nach einem rotierenden System für die Dauer von sechs Monaten übernommen. Hauptsächlich in der Verantwortung ist dann die Regierung des Staates, der diese Präsidentschaft übernimmt. Parallel dazu gibt es jedoch das, was man die „Parlamentarische Dimension“ der Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union nennt. Das Parlament des Landes, das den Vorsitz übernimmt, muss darauf achten, dass die Rolle der nationalen Parlamente innerhalb der EU und vor allem die interparlamentarische Zusammenarbeit gestärkt werden. Diese sind durch den am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon ausgeweitet worden. Mit anderen Worten: Das „Parlament der Präsidentschaft“ muss den Dialog zwischen den nationalen Parlamenten und mit dem Europäischen Parlament vertiefen und konsolidieren. Zu diesem Zweck organisiert es Konferenzen und Veranstaltungen, zu denen es die anderen Parlamente in der EU einlädt. Durch diese Treffen sollen die Abgeordneten die Position ihrer Kolleginnen und Kollegen in den anderen Mitgliedstaaten im direkten Gespräch besser verstehen lernen, ihre Netzwerke vertiefen und ein Klima des Vertrauens schaffen. Bindende Beschlüsse können durch die interparlamentarischen Konferenzen nicht gefasst werden.

Eine gemeinsam von Bundestag und Bundesrat übernommene Rolle

In der Bundesrepublik Deutschland kommt diese Rolle in erster Linie dem Deutschen Bundestag zu. Als Hauptorganisator dieser Parlamentarischen Dimension arbeitet er mit dem Bundesrat zusammen, der als zweite Kammer und Vertretung der deutschen Bundesländer ebenfalls an der Parlamentarischen Dimension beteiligt ist.

Gemeinsame Erklärung der Parlamente Deutschlands, Portugals und Sloweniens

Die Aufgaben, die das Parlament der Präsidentschaft übernimmt, sind vielfältig. Wie die Regierung des Staates, der den Vorsitz innehat, stellt das Parlament im Vorfeld einer „Trio‑Präsidentschaft“ mit den beiden anderen Parlamenten der Länder der Präsidentschaft ein gemeinsames Programm vor. Vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2021 bildet Deutschland mit Portugal und Slowenien eine „Trio‑Präsidentschaft“. Daher haben Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundesratspräsident Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident des Landes Brandenburg, am 29. Juni 2020 gemeinsam mit dem Präsidenten des portugiesischen Parlaments Eduardo Ferro Rodrigues, dem Präsidenten der slowenischen Nationalversammlung, Igor Zorčič, und dem Präsidenten des slowenischen Nationalrats, Alojz Kovšca, eine gemeinsame Erklärung der Parlamente Deutschlands, Portugals und Sloweniens „zur Durchführung der Parlamentarischen Dimension der Trio‑Ratspräsidentschaft der Europäischen Union“ unterzeichnet. Die Unterzeichnung fand aufgrund des Coronavirus im Rahmen einer Videokonferenz statt. In der gemeinsamen Erklärung haben die Präsidenten der drei Parlamente vor allem vereinbart, die „Konferenz zur Zukunft Europas“ voranzubringen. Wolfgang Schäuble hat außerdem seine Kollegen eingeladen, die gegenwärtige Krise auch als Chance zu begreifen, Europa innovativer und resilienter zu gestalten.

Treffen zum Coronavirus, zum Klimawandel und zu sozialen Fragen

Parallel dazu beschließt jedes Parlament der Präsidentschaft sein eigenes Arbeitsprogramm. In ihm legt es seine Prioritäten fest und stellt die anstehenden interparlamentarischen Veranstaltungen vor. Der Bundestag wird daher Gastgeber einer ganzen Reihe von Konferenzen mit Abgeordneten der 27 Mitgliedstaaten zu den aus ihrer Sicht drängendsten aktuellen Themen. Aufgrund der durch das Coronavirus ausgelösten Krise finden diese Treffen zumindest bis Ende September nicht als Präsenzveranstaltungen im Bundestag, sondern als Videokonferenzen statt.

Den Auftakt bildete am 27. Mai eine Videokonferenz, an der die Präsidenten des Bundestages und des Europäischen Parlaments, Wolfgang Schäuble und David Maria Sassoli, sowie die Vorsitzenden aller Fraktionen des Bundestags und des Europäischen Parlaments teilgenommen haben. Daran schlossen sich am 29. Juni ein digitales Treffen der Präsidenten der Parlamente der Trio‑Präsidentschaft sowie am 2. Juli ein Meinungsaustausch mit dem Kollegium der EU-Kommission an, an der auch Präsidentin Ursula von der Leyen teilnahm.

Die meisten dieser Veranstaltungen sind sogenannte ständige Konferenzen, die während jeder Ratspräsidentschaft stattfinden. Dazu gehört zum Beispiel das Treffen der Verantwortlichen für die Außen- und Sicherheitspolitik oder das Treffen der für die Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik zuständigen Abgeordneten. Jedoch organisiert der Bundestag auch drei andere Treffen zu Themen, die den Abgeordneten des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union besonders am Herzen liegen: eine Konferenz zur COVID-19-Pandemie und die Frage, wie Europa gestärkt daraus hervorgehen kann, eine weitere Konferenz zum Klimawandel und zur gemeinsamen Agrarpolitik der EU sowie eine Konferenz über „Das soziale Europa“.

Eine neue Webseite und ein Twitter‑Kanal

Und schließlich gehört zu den Aufgaben des Parlaments der Präsidentschaft die Öffentlichkeitsarbeit. So hat der Bundestag zum Start der deutschen Präsidentschaft eine neue Webseite unter der Adresse www.parleu2020.de und seinen eigenen Twitter-Kanal unter dem Namen @parleu2020.de gestartet. Die auf Deutsch, Englisch und Französisch verfügbare Webseite informiert in Artikeln, Videos und Podcasts über die parlamentarischen Aktivitäten, die während der Präsidentschaft stattfinden werden. Sie dient als Plattform für die Übertragungen der Konferenzen im Livestream. Auch interaktive Angebote für junge Menschen in der EU sind geplant: ein Quiz, ein Puzzle und ein Schülerwettbewerb. Diese Angebote stehen auch den Besucherinnen und Besuchern zur Verfügung, die sich am Infomobil des Bundestags informieren. Wenn sie die Quizfragen beantworten, winkt ihnen eine kleine Belohnung.

Weitere Informationen unter: