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Willkommen im Hotel Beethoven

Fischgrätparkett, Säulenportal, gläserne Decke – eine Lobby stattlich wie der Ballsaal eines Grand Hotels empfängt die Besucher. Über den Eingangssäule leuchtet der Schriftzug Hotel Beethoven. Ende vergangener Woche eröffnete hier anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die Ausstellung über den großen Komponisten im Palais des Beaux Arts (BOZAR) in Brüssel. „Im Jahr seines 250. Geburtstages laden wir die Menschen in Europa ein, Ludwig van Beethoven als einen der wichtigsten Botschafter europäischer Kultur neu zu entdecken“, sagte bei der Eröffnung die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, die das Projekt finanziell fördert. „Seine visionäre Kraft, seine Natur- und Umweltideen, der Geist der Völkerverständigung und die tief empfundene Humanität, die seine Werke atmen, sind auch heute hoch aktuell.“ Und wo ließe sich das besser zeigen als in einem Hotel?

Ein Hotel ist ein Ort, an dem ganz unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen, politische Debatten stattfinden und verborgene Geschichten zu entdecken sind. Ein Ort, privat und öffentlich zugleich, lebendig, vielstimmig, widersprüchlich, bunt. Wie Beethoven selbst und die unterschiedliche Art und Weise, mit der wir ihn betrachten können. Tür auf also für das Hotel Beethoven:

© Terry ADKINS, Synapse, 2004, Courtesy Estate of Terry Adkins, Lévy Gorvy, NY, Photo: SABAM, Belgium 2020
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Weltbürger, Europäer, Zweifler

Der Perspektivwechsel, den der amerikanische Multimediakünstler Terry Adkins anbietet, rüttelt auf. In seiner Videomontage „Synapse“ verwandelt sich ein vertrautes Beethoven-Portrait langsam zu einem Mann mit dunkler Haut. Es wird sichtbar: Egal ob Schwarz oder Weiß, Beethoven ist Weltbürger, ein universelles Ikon, das berührt. Beethoven war dabei immer ein politischer Künstler, engagiert und voller Widersprüche. Leidenschaftlich trat er für die Ideale der Französischen Revolution ein, für die europäische Idee. Später faszinierte ihn Napoleon, die dritte Symphonie hatte er zunächst dem „Bonaparte“ widmen wollen – nach dessen Selbstkrönung zum Kaiser, der auszog Europa zu erobern, strich er den Namen wütend vom Titelblatt seiner Eroica. Heute wirkt die verbindende Kraft von Beethovens Musik in der europäischen Öffentlichkeit: Die Ode an die Freude aus dem letzten Satz der 9. Symphonie ist offizielle Hymne der EU.

© Heartbeat Opera, NY, Fidelio, Contemporary American „Black Lives Matter“ 2018. Photo: Russ Rowland
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Heartbeat-Opera New York

Fidelio, Beethovens einzige Oper, ist eine Hommage an die Freiheit. Nicht zufällig inszenierte sie die Regisseurin Christine Mielitz im Oktober 1989 in der Semperoper, während die Bürgerinnen und Bürger der DDR für Demokratie und Freiheit auf die Straße gingen. Jetzt schafft die Heartbeat-Opera in New York (Bild links) einen Bezug zur Gegenwart: zu Black Live Matters, dem Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung, den Konflikten zwischen Schwarz und Weiß in den USA. Das Besondere: Echte Gefängnisinsassen singen den Chor der Gefangenen, Menschen, die zum Teil seit zwanzig Jahren in Haft sitzen und für die Freiheit eine ganz andere Bedeutung hat. Wie sehr die Oper Beethovens heute noch berührt, zeigt sich in den Briefen der Gefangenen, in denen sie auf die Theaterarbeit für Fidelio zurückblicken (Bild rechts). So schreibt Chorsänger Douglas Elliott: „Fidelo brings us to consciousness for people who might never think of us otherwise. I would like people to know that just because we are locked up for our mistakes we are still human beings.“

© *s.am Artikelende
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Mit dem Blick der Kunst

Was bedeutet heute Beethoven für uns, was setzt er bei uns in Gang? Anregend sind die neuen Blicke, mit denen die Kunst die Klischees über Beethoven hinterfragt. Joseph Beuys setzte sich mit ihm auseinander (Bild li.), Andy Warhol schaute auf ihn mit dem Blick der Pop Art (Bild re.). „Beethoven hatte eine enge Beziehung zur Natur, lange Spaziergänge durch den Wald waren Quelle für seine Kunst“, so Sophie Lauwers, Leiterin der Abteilung Ausstellungen des BOZAR. „Deshalb nennen wir ihn einen Klimaaktivisten der ersten Stunde“. Den Filmemacher Jeremy Deller inspirierte das zu seinem Film „Wir haben die Schnauze voll“. Darin lässt er Kinder und Jugendliche gemeinsam mit einem Orchester Auszüge aus Beethovens 7. Symphonie feiern, anschließend begleitet er sie zu einer Demonstration von Fridays for Future. Deller: „I thought that the idea of seeing people creatively working together to achieve something, whether demonstrating or making music, is very important.“

© John Baldessari, Beethoven´s Trumpet (with Ear), Opus#133, 2007, The Estate of J.Baldessari and Sprüth Magers, Photo: Timo Ohler
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Der taube Komponist

Mit 28, längst ein gefeierter Pianist, begann Beethoven sein Gehör zu verlieren. Allein sechs seiner neun Symphonien komponierte er als er bereits fast taub war. „Wir zeigen deshalb, dass Taubheit auch ein Gewinn sein kann“, sagt Ausstellungsleiterin Lauwers. Die Besucherinnen und Besucher können den Kopf tief in das gewaltige Hörrohr von John Baldessari stecken, das zu einem Ohr aus Gips in der Wand führt. Wer hinein spricht, erhält Antworten aus Musik. Kleine Kompositionen Beethovens, die seine Zeitgenossen bewegten. Dabei bekommen Besucherinnen und Besucher hautnah eine Ahnung davon, wie taube Menschen Musik erleben: durch die Vibrationen, die der Körper aufnimmt.

© Baudouin Oosterlynck, Prothèse pour une oreille indiscrète, Opus 127, 1994-95, Brass, Courtesy of the Artist
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Perspektivwechsel: Gehörlose über Musik

Metallene Ohren als künstlicher Resonanzraum – der belgische Klangkünstler Baudouin Oosterlynck hat die „Prothèse pour une oreille indiscrète“ entwickelt. „Here, I´ve left some Listening Instruments! Perhaps you will try them in a next life“, schreibt er in einem Brief im Ausstellungskatalog an den „Dear Ludwig“. Ein anderer Künstler präsentiert ein Klavier in Plastik verpackt – ein Instrument, das kein Geräusch machen kann. Es ist ein Symbol für Stille in der Musik. Es sind besonders die gehörlosen Künstlerinnen und Künstler, die für neue Perspektiven sorgen, so macht eine Konzertkritik in Gebärdensprache andere Facetten der Musik sichtbar. Wer sich von Gehörlosen durch die Ausstellung führen lässt, entdeckt nicht nur Beethoven auf neue Weise, sondern auch eine unbekannte Welt - ein besonderes Angebot der Ausstellung.

© **s. am Artikelende
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Mission: Earth-Moon-Earth

Die Mondscheinsonate von 1801 (Bild re.) gehört zu den berühmtesten Stücken Beethovens. Die schottische Künstlerin Katie Paterson inszeniert sie auf ungewöhnliche, berührende Weise. In ihrem Werk „Earth-Moon-Earth“ schickte sie die Noten umcodiert in Morsezeichen über Radiofrequenzen zum Mond. Mit kleinen Löchern und Aussetzern durchsetzt kamen die Signale zurück. Die karstige Mondoberfläche mit ihren Kratern und Schatten hatte einen Teil der Information absorbiert. In der Ausstellung sind die reflektierten Signale zu sehen (Bild li.) und zu hören. Eine Mondscheinsonate neu interpretiert vom Mond und doch mit unverkennbarer Melodie.

Weitere Informationen über das Kulturprogramm zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft finden Sie hier oder im folgenden Film:

Das Kulturprogramm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft

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*Brigitte Dannehl, Joseph Beuys während der Aktion „Totenmaske Napoleons“ für die Installation „Beethovens Küche“, Düsseldorf, 4.10.1969, Baryta print, b/w Museum Schloss Moyland/Joseph Beuys Archiv / JBA-F; Andy Warhol, Ludwig van Beethoven, 1987, Silkscreen print, Private collection of Jannis Vassiliou, Bonn

**Earth – Moon – Earth (Moonlight Sonata Reflected from the Surface of the Moon), 2007, Two digital prints Courtesy of Katie Paterson Studio; Ludwig van Beethoven, Sonata for Piano No. 14, „Sonata quasi una Fantasia“, (C# minor), Op. 27, No. 2, 1801, Autograph Beethoven Haus Bonn (BH60)