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Frau Sigmund, wie haben sich die Beziehungen zwischen der EU und China in den vergangenen Jahren entwickelt?

Petra Sigmund: Die Partnerschaft mit China ist aus europäischer Sicht in vielen Bereichen - von der Wirtschaft bis hin zur Bewältigung globaler Herausforderungen - unverzichtbar und muss weiter gepflegt und ausgebaut werden. Daneben hat sich China in den vergangenen Jahren zu einem ernstzunehmenden wirtschaftlichen Wettbewerber der EU entwickelt. Wettbewerb ist eine gute Sache - wenn er nach fairen Spielregeln abläuft. Hierauf müssen wir jetzt - da China uns in manchen Bereichen dicht auf den Fersen ist - noch viel stärker achten als früher.

Darüber hinaus gibt es auch Bereiche, in denen China eine dezidiert andere Auffassung vertritt als die Europäische Union und hierfür offensiv Verbündete sucht: etwa in Fragen der Menschenrechte oder auch in Fragen der internationalen Ordnung. Das ist gemeint, wenn die EU China heute nicht nur als Partner und Wettbewerber, sondern auch als „systemischen Rivalen“ bezeichnet.

Seit vielen Jahren wird das Investitionsabkommen mit China verhandelt. Warum ist dieses Abkommen für Deutschland und die EU wichtig?

Sigmund: Die Marktzugangsbedingungen für europäische Unternehmen auf dem chinesischen Markt sind, trotz vieler Fortschritte in den vergangenen vier Jahrzehnten, immer noch stark eingeschränkt. Die EU ist hingegen - trotz einer Stärkung der Investitionskontrolle in den letzten Jahren - ein sehr offener Markt, auch für chinesische Unternehmen. Je stärker China als Wirtschaftsmacht und Wettbewerber zur Weltspitze aufschließt, desto weniger ist die Asymmetrie zwischen China und Europa gerechtfertigt.

Das Investitionsabkommen soll daher die Rahmenbedingungen für Investitionen in China an die Bedingungen in der EU angleichen. Beide Seiten haben sich zum Ziel gesetzt, die Verhandlungen hierüber bis Ende 2020 - nach nunmehr sieben Jahren Verhandlungen - abzuschließen. Es ist wichtig, dass dieses Ziel nicht immer weiter nach hinten verschoben wird. Noch wichtiger ist aber, dass das Ergebnis stimmt und durch das Abkommen tatsächlich erweiterte Spielräume für europäische Investitionen in China entstehen.

Welche weiteren Themen möchte Deutschland auf europäischer Ebene mit Blick auf China während der Ratspräsidentschaft voranbringen?

Sigmund: Wir haben uns für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft vorgenommen, eine noch ambitioniertere Zusammenarbeit der EU mit China im Bereich des Klimaschutzes zu vereinbaren und gemeinsam einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung von Covid19 zu leisten.

Innerhalb der EU wollen wir uns gleichzeitig in einer Reihe von Politikbereichen besser auf die Herausforderungen einstellen, vor die China uns stellt. Dies umfasst zum Beispiel Schritte hin zu mehr europäischer Souveränität bei Schlüsseltechnologien, die Stärkung der EU-Außenbeziehungen durch umfassende Zusammenarbeit mit Partnern in Asien, Afrika, und Lateinamerika sowie die Diversifizierung des EU-Außenhandels durch engere wirtschaftliche Verflechtung mit anderen wichtigen Wachstumsmärkten in Asien.

Wesentlicher Bestandteil der EU-China-Strategie ist aber auch, dass die EU Haltung zeigt, wenn zentrale europäische Werte und Interessen - etwa die Achtung von Menschenrechten und internationalen Verträgen - durch China beeinträchtigt werden. Hier müssen wir im bilateralen und im multilateralen Rahmen konsequent auftreten.