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Egal, ob es sich um eine Lichterkette oder um eine Waschmaschine handelt: Wenn eine Europäerin oder ein Europäer in einem anderen EU-Land ein Produkt kauft, können sie sich sicher sein, dass dieses Produkt eine Reihe von Sicherheitsanforderungen erfüllt, die in einer EU-Richtlinie festgelegt sind, und dass es bei technischen Mängeln Schadensersatz geben wird. Heutzutage verfügen Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU über eine Vielzahl an Rechten, die in der Verbraucherschutzpolitik der Europäischen Union gebündelt sind.

Diese Politik ist eng mit der Existenz des Europäischen Binnenmarkts verbunden und basiert auf einer einfachen Idee: So wie die Produkte, die dank Binnenmarkt von einem Land in das andere bewegt werden, muss auch das Verbraucherrecht grenzüberschreitend sein. Verbraucherinnen und Verbraucher, die Produkte kaufen oder Dienstleistungen und digitale Inhalte aus einem anderen europäischen Land beziehen, müssen geschützt sein und gegenüber den Händlern die gleichen Rechte haben.

Schrittweise Einführung

Doch ein solches Ziel war in den EU-Gründungsverträgen von 1957 nicht vorgesehen. Damals wurden die Verbraucherinnen und Verbraucher nämlich nicht als Individuen wahrgenommen, deren Rechte es zu verteidigen galt. Sie wurden vor allem als indirekt Begünstigte des Binnenmarkts angesehen, denen beispielsweise Preissenkungen und die breitere Auswahl zugutekamen, die sich aus dem freien Warenverkehr ergaben.

Die Einrichtung des Europäischen Büros der Verbraucherverbände (BEUC) 1962 in Brüssel war ein erster wichtiger Schritt hin zu einem Mentalitätswandel und zur Entwicklung einer europäischen Verbraucherpolitik. Seit seiner Gründung berät das BEUC mit seinen inzwischen 44 Verbraucherorganisationen aus 32 europäischen Ländern die Europäische Kommission und vertritt die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber der Europäischen Union.

Beim Pariser EU-Gipfel 1972 sprachen die Staats- und Regierungschefs zum ersten Mal über die Notwendigkeit, eine Politik zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher einzuführen. Die Kommission stellte dann ein Aktionsprogramm vor, in dem eine Reihe von Rechten aufgeführt wurde, darunter auch das Recht auf Schutz von Gesundheit und Sicherheit sowie das Recht auf Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Die Europäische Union hat die Rechte der Fluggäste gestärkt © dpa-Zentralbild
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Aber erst mit dem 1993 in Kraft getretenen Maastrichter Vertrag wurde die Verbraucherpolitik in die Verträge aufgenommen und so zu einer echten Gemeinschaftspolitik erklärt. 1997 wurde ihr Umfang im Vertrag von Amsterdam klargestellt, der die Ziele wie folgt festlegte:

„Zur Förderung der Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher und zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus leistet die Gemeinschaft einen Beitrag zum Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie zur Förderung ihres Rechtes auf Information, Erziehung und Bildung von Vereinigungen zur Wahrung ihrer Interessen.“

Ergänzend bestimmte der Vertrag, dass die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Festlegung und Durchführung aller anderen Gemeinschaftspolitiken, sei es bei der Verkehrspolitik oder bei der Agrarpolitik, berücksichtigt werden müssen („horizontale Dimension“).

Die Verbraucherpolitik verfügt über einen immer umfangreicheren Rechtsrahmen und stützt sich auch auf fünfjährige Aktionspläne, genannt „Verbraucheragenda“. Im Mai 2012 stellte die Kommission ihre EU-Verbraucheragenda vor, in der sie ihr strategisches Konzept im Bereich des Verbraucherschutzes für die folgenden Jahre darlegte. Am 13. November hat sie ihre „Neue Verbraucheragenda“ für die Zeit nach 2020 bis 2025 vorgestellt. An der Seite des Europäischen Parlaments, europäischer Verbände und der Mitgliedstaaten versteht sich die Kommission als Triebkraft für die Stärkung der Verbraucherrechte.

Zu den bekanntesten Maßnahmen der Verbraucherschutzpolitik der Europäischen Union gehört die Abschaffung der Roaminggebühren © dpa
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Ein Europa im Dienste der Verbraucherinnen und Verbraucher: die wichtigsten Fortschritte

Ein Schwerpunkt für die Arbeit der EU zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher besteht in der Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen.

  • So untersagt die Union unlautere Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbrauchern wie aggressive Verkaufsmethoden oder irreführende Werbung.
  • Ein weiteres Recht: Jeder Europäer, der ein Produkt oder eine Dienstleistung im Internet gekauft hat, verfügt über ein Widerrufsrecht: 14 Tage lang kann er seinen Kauf rückgängig machen.
  • Zu den bekanntesten Maßnahmen gehört die Abschaffung der Roaminggebühren. Seit Sommer 2017 bezahlen die Europäer keine zusätzlichen Gebühren mehr, wenn sie auf ihren Reisen innerhalb der Europäischen Union telefonieren, SMS verschicken oder das mobile Internet nutzen.
  • Die Union hat auch die Rechte der Fluggäste gestärkt: Bei Annullierung, verspäteter Ankunft oder Nichtbeförderung (z.B. Überbuchung des Flugs) haben sie Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung und gfs. auf eine Entschädigung. Diese Rechte gelten für Flüge durch ein Luftfahrtunternehmen der Union und für Flüge, die von einem Flughafen in einem EU-Mitgliedstaat, im Vereinigten Königreich, Norwegen, Island oder der Schweiz abgehen.

Neue Herausforderungen: Digitalisierung, Klimawandel und COVID-19

Heute steht die Verbraucherschutzpolitik der Europäischen Union vor neuen Herausforderungen. Sie muss sich den Auswirkungen des Klimawandels, der Digitalisierung und nun auch der COVID-19-Pandemie stellen. Die Regierungen aller EU-Mitgliedstaaten haben seit Beginn der Pandemie die schwierige Aufgabe, Verbraucherinteressen und Interessen der Unternehmen miteinander zu vereinbaren. Im Luftfahrtsektor geht es insbesondere darum, ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der durch den pandemiebedingten Zusammenbruch des Luftverkehrsmarktes in ihrer Existenz bedrohten Luftfahrtunternehmen und den Fluggästen zu finden, die sich bei einer pandemiebedingten Flugannullierung den vorausgezahlten Ticketpreis erstatten lassen wollen. Bei der Digitalisierung stellt die Haftungsregelung für digitale Plattformen eine weitere große Herausforderung dar. Wie kann man erreichen, dass die von diesen Plattformen angebotenen Produkte auch wirklich den EU-Standards entsprechen? Und beim Klimawandel stellt sich die Frage, wie die Lebensdauer von Produkten verlängert werden kann. Sollte man Unternehmen dazu verpflichten, reparierbare Produkte anzubieten?

Angesichts dieser Herausforderungen hat sich Deutschland im Rahmen seiner Ratspräsidentschaft verschiedene Prioritäten gesetzt. Zunächst soll die EU-Kommission bei der Ausarbeitung der neuen Verbraucheragenda unterstützt werden. Im Bereich der Digitalisierung wünscht Deutschland, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Rechte bei Software-Updates erhalten. Man beabsichtigt auch, sich für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der EU und Drittländern einzusetzen, um digitale Plattformen, die beispielsweise Kosmetikartikel in Europa vertreiben, zur Einhaltung der europäischen Normen zu verpflichten. Gemeinsam mit seinen Partnern in der EU möchte Deutschland sich für eine größere Benutzerfreundlichkeit von Technikprodukten stark machen. Dieser Aspekt sollte bereits bei der Entwicklung eines Produktes berücksichtigt werden, um dessen Nutzung zu vereinfachen.

Dabei arbeitet Deutschland eng mit Portugal und Slowenien zusammen: Die drei Länder bilden gemeinsam die Trio-Präsidentschaft. Am 16. Oktober wurde die Gemeinsame Erklärung zum „Verbraucherschutz in Europa – Lehren aus der COVID-19-Pandemie“ unterzeichnet.

All diese Themen werden auf der Tagesordnung der informellen Videokonferenz der EU-Ministerinnen und Minister für Verbraucherschutz stehen, die am 7. Dezember 2020 in Berlin stattfindet.