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Es ist die älteste gemeinsame Politik der Europäischen Union: Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die auch während der deutschen Ratspräsidentschaft in dieser Woche beim informellen Agrarrat in Koblenz diskutiert wird, hat sich seit ihren Anfängen 1962 umfassend weiterentwickelt. Damals trat sie als wichtiges politisches und europäisches Projekt vor dem Hintergrund von Versorgungsengpässen, stark schwankender Lebensmittelpreise und des Kalten Krieges in Kraft.

Die Anfänge der GAP

Bereits in den Römischen Verträgen 1957 festgelegt, zielte sie darauf ab, die landwirtschaftliche Produktion anzukurbeln, um in einem noch vom Krieg geprägten Europa die Versorgung mit Nahrungsmitteln zu bezahlbaren Preisen zu gewährleisten. Weitere Ziele waren, ein ausreichendes Einkommen für alle Landwirte sicherzustellen und die Märkte zu stabilisieren.

In den 60er-Jahren entstanden dafür mehrere Instrumente: Die sechs Gründungsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande) schafften die Binnenzölle auf die wichtigsten Agrarprodukte ab. Auf Importe erhoben sie gemeinsame Abgaben; Exporte in die restliche Welt wurden mit staatlichen Zuschüssen subventioniert – und damit wettbewerbsfähig gehalten. Außerdem führten die Gründungsstaaten das System der „garantierten Preise“ ein, das sicherstellte, dass die Landwirte für ihre Produkte auf jeden Fall verlässliche Erlöse erzielten und dabei nicht den starken Preisschwankungen des Weltmarktes ausgesetzt waren. Das Ziel: Einkommenssicherheit für die Landwirtsfamilien.

Damit gelang es Europa in den 1970er-Jahren, die Ernährung für seine Bürger zu sichern. Die Preise stabilisierten sich; die landwirtschaftliche Produktion und die Einkommen der Landwirte stiegen deutlich. Dieser Erfolg brachte aber auch unerwartete Begleiterscheinungen mit sich – etwa Überproduktionskrisen, die die Begriffe „Milchseen“ und „Butterberge“ prägten, und ein Anstieg des Anteils der Landwirtschaft am EU‑Haushalt auf 70 Prozent.

Die GAP reformiert sich: Milchquoten und Direktsubventionen

Um die Überproduktion einzudämmen und auch Umweltaspekte deutlich besser zu berücksichtigen, verabschiedeten die Landwirtschaftsminister der EU eine Reihe von Reformen. 1984 führten sie Quoten ein, insbesondere bei der Milchproduktion.

Eine spürbare Wende brachte schließlich die Reform der GAP im Jahr 1992: Direktsubventionen an die Landwirte ersetzten schrittweise das System der „garantierten Preise“. Es kam auch zur Stilllegung von Ackerland.

Mehr Umwelt- und Tierschutz

Die Modernisierung der GAP setzte sich mit der „Agenda 2000“-Reform fort. Künftig sollte die GAP auf zwei Säulen beruhen: Direktzahlungen an die Landwirte in der ersten Säule – und Förderung für die ländliche Entwicklung als zweite Säule. Seit 2003 werden die Beihilfen für die Landwirte anhand der Betriebsgröße in Hektar bemessen.

2003 stärkte die GAP zudem den Umwelt- und Tierschutz weiter: Um die Direktbeihilfen in voller Höhe zu erhalten, muss jeder Landwirt zusätzliche Verpflichtungen erfüllen, die sogenannten „Cross-Compliance“-Regeln. Konkret geht es einerseits darum, Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand zu erhalten. Dabei helfen beispielsweise Vorgaben, um die Bodenerosion zu verringern oder wertvolle Landschaftselemente zu erhalten. Andererseits beinhaltet „Cross-Compliance“ Grundanforderungen an die Betriebsführung, die beispielsweise generell bestehende Verpflichtungen zum Tierschutz oder der Lebensmittelsicherheit umfassen.

Die Reform von 2014 setzte das weiter fort. Seither werden 30 Prozent der Direktbeihilfen für umweltfreundliche Anbaumethoden gewährt (sog. Greening).

Wie sieht die Zukunft der GAP aus?

Wie schon in den vergangenen Jahrzehnten steht die GAP auch heute vor Herausforderungen und gesellschaftlichen Erwartungen: Dazu zählen der Umweltschutz und der Klimawandel, der Generationenwechsel auf den Höfen und in den Betrieben, der internationale Wettbewerb und aktuell der Brexit. Auch die Auswirkungen der Covid‑19-Pandemie bringt für die Agrarwirtschaft große Herausforderungen mit sich.

2018 erarbeitete die Europäische Kommission als „Hüterin der Europäischen Verträge“ deshalb Vorschläge für die Zukunft der GAP nach 2020. Der Grundgedanke: Die europäische Agrarpolitik behält ihre bewährten zwei Säulen, und richtet sich in Zukunft noch stärker auf Nachhaltigkeit sowie die kleinen und mittlelgroßen Betriebe aus. Die neue GAP soll außerdem junge Menschen motivieren, den Beruf des Landwirtes zu ergreifen.

Für den Klima- und Umweltschutz sind die Vorschläge ambitionierter geworden: So schlägt die Kommission im Rahmen der „Grünen Architektur“ zum Beispiel die Einführung von Ökoregelungen in der ersten Säule vor.

Auch die deutsche EU‑Ratspräsidentschaft setzt sich dafür ein, dass die Agrarpolitik künftig noch krisenfester und zugleich nachhaltiger wird und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte sicherstellt. Dafür strebt sie eine politische Einigung unter den Mitgliedstaaten an – eine „Allgemeine Ausrichtung des Rates“. Darüber hinaus will Deutschland die Biodiversitätsstrategie und die „Farm-to-Fork-Strategie“ („Vom Acker auf den Teller“) voranbringen, die im Rahmen des European Green Deal vorgelegt wurden. Diese Strategien sollen künftig noch besser zu einem fairen, gesunden und umweltfreundlichen Lebensmittelsystem beitragen. Ziel ist es, die Lieferketten zu kürzen, den Einsatz von Düngemitteln zu reduzieren, die biologische Landwirtschaft weiterzuentwickeln und den Tierschutz und das Tierwohl zu stärken.

Auch das Thema „EU-weites Tierwohlkennzeichen“ steht beim Informellen Treffen der EU‑Agrarminister auf der Tagesordnung.