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Es sind Geschichten, die unter die Haut gehen. Geschichten von ehemaligen Grenzern, die sich an die Zeit des Eisernen Vorhangs erinnern. Von jungen Europäern aus Polen, Lettland und Italien, die auf der Suche nach dem Glück in einer Berliner Notunterkunft stranden. Von Geflüchteten, die im Lager die Hoffnung nicht verlieren. Von Frauen, die für Gleichberechtigung streiten und Kindern, die sich in der Quarantäne im Corona-Sommer nach draußen träumen. Die Geschichten sind so unterschiedlich wie die jungen Filmemacherinnen und Filmemacher, die sie entwickelt haben. Mal abstrakt und allegorisch, mal leise und suchend, mal schrill und konkret. Und immer berührend.

55 Konzepte, 12 Filme, 4 Preise

Wie sehen junge Menschen das vereinte Europa? Was schätzen, was kritisieren sie? Welche Themen bewegen die Filmschaffenden? Diese Fragen stellte das Projekt „Europa im Film“. Gefördert durch das Auswärtige Amt hatte die Deutsche Filmakademie Produktion anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft Ende 2019 einen Kurzfilmwettbewerb für Studierende an deutschsprachigen Filmhochschulen und Freischaffende ins Leben gerufen. „Mit dem Wettbewerb wollen wir die Auseinandersetzung mit Europa fördern und in die europäische Öffentlichkeit tragen“, sagt Claudia Loewe, Produzentin und Geschäftsführerin der Deutschen Filmakademie Produktion GmbH in Berlin. „Gerade das Medium Film ist dafür hervorragend geeignet, weil es so intensiv und vielfältig ist und viele Menschen bewegt.“ 55 Konzepte von 11 Hochschulen und vier freien Filmemachern waren eingereicht worden. Zwölf wählte die hochkarätig besetzte Jury der Deutschen Filmakademie für die Umsetzung aus. Im Herbst 2020 wurden sie verfilmt. Gestern Abend gab die Jury die Gewinnerinnen und Gewinner bekannt:

Szenenphotos aus den Gewinnerfilmen: „Handbook for a Privileged European Woman“ (oben li), „Mother of Freedom“ (oben re), „Götterdämmerung“ (unten li) und Publikumssieger „Der Grenzer“ (unten re) © Europa im Film
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Götterdämmerung

Ausgezeichnet wurde der Film GÖTTERDÄMMERUNG über eine Seebestattung an Bord einer Yacht im Mittelmeer. Der Film konfrontiere die Zuschauenden mit einem Bild, das „auf erschreckende Weise schlüssig ist“, heißt es in der Begründung der Jury. „Europa zerschellt an seinen eigenen Werten, der Luxus der Einen versinkt mit der Verzweiflung der Anderen. Das Mittelmeer, das wir als die Wiege unserer Zivilisation begreifen,… ist zum Massengrab unserer ethischen und moralischen Werte geworden.“

Handbook for a Privileged European Woman

Überzeugen konnte die Juroren und Jurorinnen auch Alma Buddeckes Geschichte über weiblichen Alltag in Europa. Der Kurzfilm „HANDBOOK FOR A PRIVILEGED EUROPEAN WOMAN“ bediene sich aller filmischen Mittel von Animationen über Werbepausen bis zu Dialogen „von nachgerade Tarantino‘schem Sarkasmus“, so die Jury. „Er ist bei all dem doch erhellend: Denn auch der Ritt einer ,privilegierten‘ Europa auf dem Stier bleibt ein halsbrecherischer Rodeo.“

Mother of Freedom

Die dritte Auszeichnung geht an die eindringliche Dokumentation über ein griechisches Flüchtlingslager: MOTHER OF FREEDOM. Der Film begleitet zwei Menschen, die mit ungeheurer Energie und Empathie gegen die skandalösen Zustände kämpfen. „Es ist unmöglich, sich der Dringlichkeit dieser dokumentarischen Momentaufnahme zu entziehen“, schreibt die Jury. „Können wir es uns wirklich leisten, Menschen, deren Erfahrungen, Fantasie, Mut unsere Gesellschaften so bereichern würden, in Flüchtlingscamps stranden zu lassen?“

Der Publikumspreis ging an: DER GRENZER.

„Sehr spannend war für uns zu sehen, dass sich viele Konzepte um drei Themen drehen“, so Produzentin Loewe. Erstens, Grenzen in Europa. Wie selbstverständlich ist ein grenzfreies Europa längst geworden, wo drohen Grenzen wieder zu entstehen? Zweitens, die Reflexion des Themas „Festung Europa“. Viele Filmschaffende setzen sich kritisch damit auseinander, wie privilegiert Menschen in Europa sind. Sie fragen: Was bedeutet das, wie sollten wir damit umgehen und inwiefern macht es uns blind für Ungleichheit und Ausgrenzung, auch in Europa selbst? Drittens, europäischer Feminismus. Gibt es ihn überhaupt und was ist darunter genau zu verstehen? Denn die Situation von Frauen ist von Land zu Land sehr unterschiedlich – auch in Europa.

„Dabei spricht aus allen Filmen eine pro-europäische Haltung. Die Filmschaffenden teilen offenbar das Gefühl, dass es ein Privileg ist, Europäerin oder Europäer zu sein. Und doch setzen sie sich gleichzeitig auffallend kritisch mit Europa auseinander“, so eine der Projektkoordinatorinnen Moana Doll. „Ich denke, dahinter steht die Überzeugung, dass wir gerade diesen kritischen Blick auf das vereinte Europa brauchen, wenn wir seine Errungenschaften erhalten möchten“.

Die Preise sind mit je 3000 Euro dotiert.

Die Filme des Wettbewerbs sind auf alleskino.de zu sehen.

Weitere Informationen über das Kulturprogramm zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft finden Sie hier oder im folgenden Film.

Das Kulturprogramm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft