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Für Europäerinnen und Europäer ist es zur Normalität geworden, in einer Vielzahl europäischer Länder mit der gleichen Währung zu bezahlen. Doch die bunten Scheine und die Münzen in ihren Portemonnaies sind mehr als nur Geld: Der Euro ist ein Meilenstein europäischer Integration, der dazu beigetragen hat, dass die Europäische Union finanziell stabil ist und hohen Wohlstand genießt.

Vor dem Euro: Ein gemeinsamer Markt mit unterschiedlichen Währungen

Viele Europäerinnen und Europäer können sich noch daran erinnern, dass man bei einem kleinen Ausflug, etwa von Colmar über die Grenze nach Freiburg, einen Zwischenstopp an der Wechselstube einlegen musste. Der Umtausch von Francs in D-Mark war aber nicht nur für Familien lästig, die sich die Sehenswürdigkeiten im Nachbarland anschauen wollten, er bedeutete auch zusätzliche Kosten für Verbraucher und Unternehmen und weniger Transparenz bei grenzüberschreitenden Transaktionen.

Die Kosten für diese Art des Geschäftsverkehrs traten nicht lange nach der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl 1951 zutage. In der Nachkriegszeit, als die Industrie einen Aufschwung erlebte und sich die Finanzmärkte stabilisierten, beschlossen sechs europäische Nationen – Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg – ihre Kohle- und Stahlproduktion gemeinsam zu verwalten. Aus diesem Vorhaben ging 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) hervor. Damit entstand Europas erster gemeinsamer Markt, auf dem Waren und Dienstleistungsströme zwischen den teilnehmenden Staaten weniger Hindernisse überwinden mussten. Eingeführt wurde auch ein gemeinsames System von Preisgarantien zur Förderung der landwirtschaftlichen Produktion – die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP).

Der damalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer, Staatssekretär Walter Hallstein und der italienische Ministerpräsident Antonio Segni (v.l.n.r.): Am 25.3.1957 setzten die Ministerpräsidenten und Außenminister von sechs europäischen Ländern im Konservatoren-Palast auf dem Kapitol in Rom ihre Unterschriften unter die Vertragswerke, die die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) begründeten © A0016_fotomil
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Doch hielten die günstigen Bedingungen, unter denen diese Vorhaben möglich geworden waren, nicht an. Turbulenzen auf den Märkten erschütterten die für die GAP so wichtigen Preisgarantien, und gleichzeitig erschwerten die zahlreichen internationalen Konflikte der 1970er-Jahre sämtliche Versuche, die Wechselkurse zwischen den europäischen Nachbarn stabil zu halten. Das wirkte sich nachteilig auf den Handel innerhalb der EWG aus.

Integration der Währungsmärkte für mehr europäische Stabilität

Die Lösung dieses Problems sahen die europäischen Staats- und Regierungschefs in der Integration der Währungsmärkte. Sie schufen 1979 das Europäische Währungssystem (EWS), in dem die währungspolitische Souveränität der Mitgliedstaaten mit dem Ziel einer größeren Stabilität der Wechselkurse gebündelt wurde: Die Zentralbanken der Mitgliedstaaten vereinbarten, ihre Wechselkurse auf der Grundlage eines gewichteten Durchschnittswertes aller Währungen aneinander anzupassen. Daraus entstand die Europäische Währungseinheit (European Currency Unit, ECU).

Der ECU, ein bargeldloses, elektronisches Zahlungsmittel, erwies sich als erfolgreiches Mittel, wechselkursbedingte Kostensteigerungen für die Mitgliedstaaten zu minimieren. Er wurde rasch zu der Währungseinheit, in der der Marktwert von Waren, Dienstleistungen und Vermögenswerten in Europa standardmäßig berechnet werden konnte. Auch entstand bald ein privater Markt für den ECU. Investoren nutzten ihn für ihre Finanztransaktionen, da sie Auslandsinvestitionen in der EU ohne Umtausch in die verschiedenen europäischen Währungen besser tätigen konnten.

Der Erfolg des Vorhabens führte zu konkreten Planungen im Hinblick auf eine umfassende Europäische Währungsunion (EWU). Unter Führung des damaligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors verständigten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs 1988 auf einen Fahrplan für eine währungspolitische Integration im Laufe der 1990er-Jahre. Das Jahrzehnt sollte mit einem vollständig freien Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten beginnen und mit der Einführung der gemeinsamen Währung, des Euro, 1999 ausklingen. Dieser Plan fand im Dezember 1991 in Maastricht seinen Niederschlag im neuen Vertrag über die Europäische Union.

Gewährleistung einer starken Wirtschafts- und Währungsunion

Am 1. Januar 2002 läuteten zwölf EU-Mitgliedstaaten das neue Jahr am Geldautomaten ein: Nach einem Übergangszeitraum, in dem der Euro nur für bargeldlose Transaktionen genutzt werden konnte, erhielten die Europäerinnen und Europäer die neuen Euro-Banknoten und Münzen nun auch bei ihrer Hausbank.

Mit übergroßen Euroschein-Nachbildungen feiern Jugendliche in der Silvesternacht am 1.1.2002 vor dem Brandenburger Tor in Berlin die Einführung der neuen Währung © dpa
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In den zwei Jahrzehnten seit seiner Einführung stand der Euro vor zahlreichen Herausforderungen. Die Finanzkrise von 2008 wirkte sich massiv auf das gemeinsame Währungsgebiet aus. Doch die Mitgliedstaaten nahmen die Reform der Finanzsysteme und die Bemühungen um eine Rückkehr zu soliden öffentlichen Finanzen solidarisch und gemeinsam in Angriff. Ihre Antwort auf die Krise war nicht weniger, sondern mehr Finanzintegration.

So wurde die Europäische Bankenunion geschaffen. Ziel war es, die Aufsicht über Banken zu verbessern, die Verflechtung zwischen Banken und Staatsfinanzen zu durchbrechen, Einlagen der Verbraucher wirksamer schützen zu können und Banken bei Bedarf möglichst ohne Einsatz von Steuergeld geordnet abwickeln zu können. Außerdem wurde eine Kapitalmarktunion geschaffen, um Finanzierungsmöglichkeiten innerhalb Europas auf eine breitere Grundlage zu stellen und die Abhängigkeit gerade kleiner und mittlerer Unternehmen von Bankfinanzierungen zu reduzieren. Deutschland arbeitet während seiner EU-Ratspräsidentschaft mit den europäischen Partnern zusammen, um diese Systeme zu vertiefen und weiter zu integrieren.

Ein weiterer Schritt finanzpolitischer Integration in Europa war die Einführung der Single Euro Payments Area SEPA, zu Deutsch Einheitlicher Euro-Zahlungsverkehrsraum, mit dem im Jahr 2014 der Zahlungsverkehr zwischen den meisten europäischen Staaten, darunter allen Mitgliedstaaten der EU, harmonisiert wurde. Euro-Zahlungen können seither EU-weit mit einheitlichen Zahlungsmethoden wie Überweisungen und Lastschriften getätigt werden. Das bedeutet, dass innerdeutsche und innereuropäische Zahlungen nach denselben Spielregeln abgewickelt werden.

In jüngster Zeit stellt vor allem der Aufstieg digitaler Märkte eine Herausforderung für den Euro dar. Daher arbeitet Deutschland mit seinen europäischen Partnern an der Entwicklung neuer Instrumente, die der EU helfen, die Vorzüge der Digitalisierung sicher zu nutzen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft bemüht sich darum, Europa zu einer modernen, sicheren und innovativen Gemeinschaft auch für neuartige Finanzdienstleistungen zu machen, die Währungssouveränität gewährleistet sowie die Cybersicherheit und -resilienz des europäischen Finanzmarkts erhöht.