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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört auf dem Gebiet der internationalen Gesundheitspolitik sowie bei der grenzübergreifenden Koordinierung von Gesundheitsthemen zu den wichtigsten Institutionen weltweit. Ziel der Organisation ist es, die Gesundheit aller Völker zu verbessern und zu fördern. Die WHO legt verschiedene medizinische Standards fest, bündelt wissenschaftlich fundierte gesundheitspolitische Grundsätze und leistet einen Beitrag zur Ausgestaltung der globalen Forschungsagenda im medizinischen Bereich.

Gründung der WHO: Eine Organisation zur Bekämpfung von Krankheiten, die an Grenzen nicht haltmachen

Bereits bei Gründung der Vereinten Nationen (VN) 1945 berieten Diplomaten über die Notwendigkeit einer Sonderorganisation für Gesundheit mit internationaler Reichweite: Die Cholera-Epidemien Mitte des 19. Jahrhunderts sowie die Spanische Grippe von 1918 waren in den Köpfen noch präsent. Diese Krankheiten ‑ und auch die, die noch kommen sollten ‑ machten an Grenzen und Mauern nicht halt. Nicht minder grenzübergreifend musste die Welt auf sie reagieren.

Anfang April 1948 wurde die WHO offiziell gegründet und ersetzte somit ihren Vorgänger, die Gesundheitsorganisation des Völkerbunds. Unter Bezugnahme auf Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der VN heißt es in der ersten Satzung der WHO: „Es ist eines der Grundrechte jedes Menschen ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Lage, sich einer möglichst guten Gesundheit zu erfreuen.“

Die WHO schickte 1948 14 Chirurgen nach Warschau, um polnischen Ärzten die neuesten chirurgischen Entwicklungen vorzuführen © picture-alliance / PAP
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Damals unterzeichneten 61 Staaten die Satzung der WHO. Heute hat die Organisation mit Sitz im schweizerischen Genf 194 Mitgliedstaaten in sechs Regionen der Welt, mehr als 7000 Beschäftigte an 150 Standorten und sechs Regionalbüros rund um den Globus.

Meilensteine der Weltgesundheit

Um ihr hohes und anspruchsvolles Ziel zu erreichen, begann die WHO mit der Koordinierung verschiedener grenzübergreifender Initiativen. Seit 1948 etwa ist sie Herausgeberin der „Internationalen Klassifikation der Krankheiten“, mit deren Hilfe die Welt nicht nur Krankheiten definieren, sondern auch globale Gesundheitstrends und ‑statistiken unter Verwendung einer gemeinsamen Sprache erstellen kann.

1969 führten die WHO‑Mitglieder die Internationalen Gesundheitsvorschriften ein, die sich zunächst hauptsächlich mit Cholera, der Pest, Pocken und Gelbfieber befassten. Dieses Regelwerk setzte Standards für Welthandel und internationalen Reiseverkehr, etwa für die Desinfektion von Flugzeugen und Schiffen, die Gesundheitsdokumente, die Reisende mit sich führen müssen, oder die Verfahren, nach denen Mitgliedstaaten die WHO in Kenntnis setzen müssen, wenn diese Krankheiten bei ihnen auftreten. Diese Regeln wurden seither häufig verändert, zuletzt in den Nullerjahren, als es darum ging, einen Umgang mit Krankheiten wie Ebola oder COVID-19 zu finden.

Farblithographie der Weltgesundheitsorganisation für Äthiopien, die auf die Wichtigkeit des Tragens von Schutzkleidung beim Umgang mit Giftstoffen hinweist © Wellcome Collection / WHO
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Im Lauf des 20. Jahrhunderts begründete die WHO darüber hinaus internationale Programme zur Bekämpfung unter anderem von Malaria, Pocken und Tuberkulose. Später sollten weitere Krankheiten wie Masern, Krebs und HIV/AIDS das Verzeichnis der globalen Prioritäten ergänzen. Ferner startete die WHO ein Monitoring von Bereichen wie Krebsforschung, Tabakkonsum, reproduktive und sexuelle Gesundheit sowie Ernährung und Bewegung. 2008 erkannte sie den Klimawandel als Bedrohung der menschlichen Gesundheit an.

Die Organisation ist stolz darauf, dass dank ihrer Mitwirkung etwa im Rahmen jahrzehntelanger Impf- und Aufklärungskampagnen Krankheiten wie Kinderlähmung oder Pocken heute so gut wie ausgerottet sind, sowie auf ihren Beitrag zur Entwicklung eines Ebola-Impfstoffs und zur Verbesserung der medizinischen Grundversorgung in weniger entwickelten Ländern.

Wer leitet die WHO?

Die WHO ist eine von den Mitgliedsstaaten getragene Organisation, deren drei Säulen die Weltgesundheitsversammlung, der Exekutivrat und das Sekretariat sind. Das Tagesgeschäft der WHO wird vom Sekretariat geführt. Laut Satzung der WHO ist der Generaldirektor erster Ansprechpartner für alle verwaltungs- und organisationstechnischen Belange. Agenda und Strategien der Organisation werden von der Weltgesundheitsversammlung beschlossen, die einmal jährlich in Genf stattfindet und bei der Delegationen aus allen Mitgliedstaaten über Maßnahmen beraten, Führungspersonal ernennen und den Haushalt der WHO verabschieden.

Im Fünfjahresrhythmus wird im Rahmen der Weltgesundheitsversammlung eine neue WHO‑Generaldirektorin oder ein neuer WHO‑Generaldirektor gewählt. Eine einmalige Wiederwahl ist zulässig. Derzeit bekleidet der Public‑Health‑Forscher und frühere äthiopische Gesundheits- und Außenminister Tedros Adhanom Ghebreyesus dieses Amt. Ghebreyesus ist bekannt für seine Arbeit in der Malariaforschung und die Verbesserungen, die er für das Gesundheitssystem in seinem Land erreichen konnte. Darüber hinaus ist er der erste Afrikaner in diesem Amt, das er bis 2022 innehaben wird.

Die Weltgesundheitsversammlung im Jahr 2007: Die Veranstaltung wird jedes Jahr von der WHO in Genf organisiert © Keystone
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Wie bei den Vereinten Nationen leisten die Mitgliedstaaten Beitragszahlungen zum Zweijahreshaushalt der WHO. Diese Beiträge setzen sich zusammen aus den für jedes Land anhand des Bruttoinlandsprodukts festgelegten Mitgliedsbeiträgen und freiwilligen Zahlungen. Mit den Haushaltsmitteln, die für den Zeitraum 2020‑2021 etwa 5.8 Milliarden US-Dollar betragen, werden strategische Prioritäten gesetzt, da die Mitglieder entscheiden, welche Mittel in welchen Arbeitsbereich der WHO fließen. In den Jahren 2018 und 2019 gehörten die USA, Deutschland und Großbritannien sowie gemeinnützige Organisationen wie die Bill & Melinda Gates Foundation zu den größten Beitragszahlern des WHO‑Haushalts. Dabei stammen weniger als 20% der Finanzierung der WHO aus regulären Mitgliedsbeiträgen, rund 80% sind freiwillige Beiträge - was die WHO verwundbar macht.

Eine globale Pandemie unterstreicht die Notwendigkeit von Reformen und einer Stärkung der WHO

Die COVID‑19-Pandemie hat erneut gezeigt, wie wichtig ein supranationales Koordinierungsorgan wie die WHO ist, wenn es um Infektionskrankheiten geht.„Isolierte nationale Antworten auf internationale Probleme sind zum Scheitern verurteilt“, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Juni bei einer Tagung der WHO in Genf.

Die Pandemie hat in Bezug auf die WHO jedoch auch zu Kontroversen geführt, weil sie offengelegt hat, unter welchem finanziellen und politischen Druck die Organisation steht und immer stand. Mehrere Länder, darunter die USA und Brasilien, haben ihren Austritt angedroht, andere haben den Umgang der WHO mit der Pandemie kritisiert und vermeintliche Fehler auf politischen Druck zurückgeführt.

Viele Mitgliedstaaten und Beobachter sind sich weitgehend einig, dass die Notwendigkeit einer umfassenden Reform der WHO auch hinsichtlich des Ausbaus ihrer Kapazitäten immer dringender wird, da die Organisation vor mehreren gesundheitsbezogenen, finanziellen und politischen Herausforderungen steht. Der Europäischen Union kommt bei der Ausarbeitung dieser Reformvorschläge, der Ausrichtung der WHO auf das 21. Jahrhundert sowie der Unterstützung bei der Umsetzung der Reform eine wichtige Rolle zu, vor allem wenn große Geber wie die USA tatsächlich austreten sollten.

Die vorgeschlagenen Reformen sollten die WHO effizienter, nachhaltiger und transparenter machen und die Verantwortungsbereiche der Organisation im Zusammenspiel mit anderen wichtigen Akteuren im Bereich der globalen Gesundheit klar abgrenzen.

Die Rolle der WHO als unabhängige, führende Koordinierungsbehörde sollte gestärkt werden, um die Möglichkeit, politischen Druck auszuüben, gering zu halten. Im Fall neuer Krankheiten müssen sachdienliche Informationen die Organisation schneller erreichen, um ein besseres Frühwarn- und Krisenreaktionssystem zu fördern.

Auch eine bessere finanzielle Ausstattung würde helfen: Die WHO hat von allen Gesundheitsbehörden das umfangreichste Mandat und zugleich nur begrenzte finanzielle Möglichkeiten, für den Haushalt 2020-2021 sollen die Mitgliedstaaten etwa rund 957 Millionen Dollar bereitstellen. Das derzeitige Budget der WHO entspricht dem eines größeren regionalen Klinikums, mehr als drei Viertel sind zweckgebunden und die Mittel sind nicht vorhersagbar. Das lässt kaum Planungssicherheit und nur begrenzte zusätzliche Mittel zur Bewältigung von Notfällen wie der aktuellen Pandemie zu. Die COVID-19-Pandemie hat wieder einmal gezeigt, dass die Erwartungen der internationalen Gemeinschaft an die WHO ihre Fähigkeiten bei weitem übersteigen.

Künftige Reformen müssen die Diskrepanzen zwischen Erwartungen der Mitgliedstaaten und ihrer Bereitschaft, die WHO mit den Nötigen auszustatten, überwinden und so Wege finden, Erwartungen und Kapazitäten in Balance zu halten. Mehr Unabhängigkeit und eine Stärkung ihrer Kompetenzen sollten ein Teil davon sein.