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Ein Nachmittag Mitte September im Auswärtigen Amt. Helle Stimmen hallen durch den sonnendurchfluteten Lichthof im Zentrum des Neubaus. Kinderbesuch. Nova, Maria und Ghiselle, Shamiso, Niklas und Ruben sind gekommen, um den Politikerinnen und Politikern, um all den Erwachsenen in Europa zu erzählen, was sie sich für die Zukunft des Kontinents und des Planeten wünschen. „Wir Erwachsenen haben die Entscheidungen für eure Zukunft in der Hand“, sagt Irmgard Maria Fellner, Beauftragte für Auswärtige Kulturpolitik des Auswärtigen Amts, zur Begrüßung der Kindergruppe. „Dafür ist es auch wichtig, dass wir erfahren, wie ihr euch diese Zukunft vorstellt.“

Für das Kulturprogramm zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat Außenminister Heiko Maas den dänisch-isländischen Künstler Olafur Eliasson gebeten, ein Kunstprojekt zu entwickeln, das Kinder in ganz Europa mobilisiert, ihre Meinung zu sagen: Earth Speakr.

Ein Kind beim Earth Speakr-Besuch im Auswärtigen Amt © Bundesregierung
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Eliasson entwickelte eine App und eine interaktive Website, verfügbar in allen 24 offiziellen EU-Sprachen, über die Kinder und Jugendliche ihre Ideen für die Zukunft Europas aufnehmen, mit ihrem Gesichtsausdruck in einen Gegenstand in ihrer Umgebung projizieren und auf einer virtuellen Europakarte platzieren können. Kinder aus allen Ländern der EU haben bereits Nachrichten auf Earth Speakr gesprochen.

Auf hohen Video-Screens werden die Earth Speakr-Botschaften von Kindern im Lichthof derzeit präsentiert, ihre Stimmen fließen ineinander. Über die Screens tanzen sprechende Mülleimer, Flip-Flops und Kuscheltiere, erboste Vasen, Blumenrabatte und Schwimmbadböden. Sie fordern mehr Umweltschutz, mehr Rücksicht, weniger Verschmutzung. „Mir gefällt der sprechende Baumstumpf am besten“, sagt Nova. „Er ist abgesägt und traurig, das sehe ich häufig in Berlin.“ Marias Favorit ist die ärgerliche Corona-Maske, hingeworfen irgendwo auf das Pflaster einer Stadt. „Das gibt es bei uns in Kreuzberg auch häufig, es ist eine neue Art von Müll, die ich nicht mag.“

Maria: Ich wünsche mir…

Maria: Ich wünsche mir…

Es ist Zeit, selbst Nachrichten zu hinterlassen. Auf geht es zum Aufnahmestudio der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Altbau des Auswärtigen Amts. Der Weg führt durch den Protokollhof, über den roten Teppich auf der Treppe zum Weltsaal hinüber ins Aufnahmestudio. Hier werden Ministervideos aufgezeichnet, Konferenzen zwischen Ministerien übertragen und Livestreams geschaltet. Jetzt gehört der Raum den Kindern, alle zwischen zehn und zwölf Jahre alt.

Ruben und Shamiso stürzen zum Rednerpult neben den Europafahnen. Vor sich Mikrofone, vis-à-vis die Kameras, an den Wänden das Logo der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. „Wir sind wichtig“, ruft Ruben. Kaum haben die Kinder Handys, zeichnen sie Nachrichten auf, projiziert auf Tisch und Stühle, auf einen Computer-Monitor, eine Deutschlandfahne, eine Desinfektionsflasche oder den eigenen Blümchenrock. „Ich will nicht nur über Umwelt, sondern auch über Gerechtigkeit sprechen“, sagt Shamiso. Sie hat erfahren wie ungerecht die Welt sein kann: „Geh zurück nach Afrika, du Affe,“ ist ihre Schwester neulich beschimpft worden. Das Erlebnis hat sich bei Shamiso eingebrannt. Europa soll anders sein. Gerecht, fair, auf Vielfalt bedacht. „Ich wünsche mir weniger Rassismus in Europa und dass die Menschen so handeln, wie sie von anderen behandelt werden wollen“.

Shamiso: Ich wünsche mir…

Shamiso: Ich wünsche mir…

Für Ruben zählt: Mehr Fahrrad fahren, nicht so viel Müll wegwerfen, schon gar nicht ins Wasser. Weniger Papier verschwenden und mehr recyceln, weniger Plastiktüten verbrauchen, mehr aus Stoff anbieten. Und mehr Spenden und Achtung gegenüber armen Menschen. Niklas wünscht sich, dass Desinfektionsmittel gegen Corona europaweit konsequenter eingesetzt werden und Ghiselle wird die Bilder von Delphinen mit Plastik im Magen nicht los, die neulich überall in der Stadt auf Plakaten zu sehen waren. „Das finde ich schlimm. Wir müssen doch verhindern, dass Tiere an etwas sterben, das wir Menschen ins Meer werfen“. Nova möchte, dass die Politik endlich die Abholzung des Regenwalds verhindert. „Er ist so wichtig für die Erde, dort leben so viele besondere Tiere und Pflanzen, die bedroht sind. Und im Urwald sind auch viele Stoffe für neue Medizin.“ Maria schließlich hat viele Wünsche: Dass mehr Kunststoff recycelt wird, statt Bäume für die Papierherstellung abzuholzen; dass mehr Lebensräume für Pflanzen geschützt werden und Plastik nicht überall die Umwelt verschmutzt. „Ich habe mal ein Plastikstück, das in einem Brunnen schwamm, für eine Earth Speakr-Nachricht verwendet. Es sagt: `Ich möchte lieber recycelt werden, als nass zu sein.’“

Wo finde ich „Earth Speakr“?

Kinder im Gespräch mit Michelle Müntefering beim Earth Speakr-Besuch © Bundesregierung
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Die Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik, Michelle Müntefering, heißt die Kinder im Auswärtigen Amt willkommen. „Es ist super, dass ihr euch engagiert, denn es geht um eure Zukunft. Wer etwas ändern will, muss sich engagieren“. Beeindruckt ermutigt die Staatsministerin Shamiso, die von ihren Rassismuserfahrungen berichtet: „Wir sind alle unterschiedlich – und das ist gut so. Denn wir sind alle gleich viel wert. Es ist wichtig, dass du das ansprichst. Es darf uns niemals egal sein, wenn andere Menschen herabgesetzt werden, weil sie etwa eine andere Hautfarbe haben.“

Und was erwarten Nova und Maria, Shamiso, Ghiselle, Niklas und Ruben nun von der Politik? „Dass sie uns erst wahrnimmt und eine Art Aufstand mit uns macht, damit unsere Wünsche in Erfüllung gehen“, meint Ruben. Nova: „Es wäre schon cool, wenn ich eine Mail bekäme. Das zeigt, dass ich gehört werde.“

Kinder im Studio beim Earth Speakr-Besuch © Bundesregierung
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In einer Frage sind sich die meisten Kinder einig: „Europa ist Heimat“, für einige von ihnen ist es „Vertrauen und Gemeinschaft“. Ungetrübt ist dieses Gefühl allerdings nicht immer: „Manchmal ist Europa auch Angst“, meint Shamiso, „wenn ich nachts nach Hause gehe, fühle ich mich nicht wohl.“ Und wenn es wieder Grenzen zwischen den Staaten gäbe? „Unvorstellbar“, sagen Maria, Nova, Ghiselle, Maria, Shamiso und Niklas. Ruben schüttelt den Kopf. „Niemals. Ich bin nur froh, dass ich noch nicht da war, als es sie in Europa noch gab.“

Weitere Informationen über das Kulturprogramm zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft finden Sie hier, oder im folgenden Film.

Das Kulturprogramm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft