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Er stellt große Gletschereisblöcke in Kopenhagen, Paris oder London aus („Ice Watch“) und lässt riesige Wasserfälle entlang der Küste New Yorks und unter der Brooklyn Bridge („The New York City Waterfalls“) entstehen: Immer wieder bringt der dänisch-isländische Konzeptkünstler Olafur Eliasson Kunst von den Museen in den öffentlichen Raum. Seine Kunstwerke laden dazu ein, unsere kollektive Wahrnehmung der Umwelt und unseren Umgang mit ihr zu hinterfragen, sei es in einer Installation oder in der Gesellschaft.

„Earth Speakr“ heißt das interaktive Kunstwerk, das Eliasson für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft geschaffen hat. Dabei arbeitet er mit den jüngsten Bürgerinnen und Bürgern Europas zusammen und will Kunst in einem Raum schaffen, in dem jede Stimme gehört wird. Eliasson und sein Team haben dafür eine digitale Plattform entwickelt, auf der junge Menschen Sprachbotschaften hinterlassen können, in denen sie von ihren Hoffnungen und Ideen für die Zukunft Europas und die Erde erzählen. „Ich möchte dieses Thema gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen thematisieren, da ich überzeugt bin, dass sie genau verstehen, was mit unserem Planeten geschieht“, sagt Eliasson.

Für seine Arbeit zur Überwindung des Klimanotstands und zu erneuerbaren Energien wurde Eliasson im vergangenen Jahr zum Goodwill-Botschafter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen ernannt. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Erde spielen in mehreren Kunstwerken Eliassons eine herausragende Rolle. Mit „Ice Watch“ machte Eliasson 2014 die globale Erwärmung greifbar, indem Menschen das Schmelzen von Gletschereisblöcken aus Grönland hautnah erfahren konnten. Für sein Werk „The glacier melt series 1999/2019“ fotografierte Eliasson 1999 und 2019 die Gletscherlandschaft Islands und dokumentierte so die drastischen durch die Klimakrise im Laufe von 20 Jahren verursachten Veränderungen.

Eliasson ist überzeugt, dass die Mitwirkung der jüngsten Bürgerinnen und Bürger Europas, die alle noch nicht wählen dürfen, entscheidend für sein Kunstwerk ist. Zum Start der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli 2020 steht die App „Earth Speakr“ im App Store und auf Google Play kostenlos zum Download bereit. Auch unter earthspeakr.art können sich Interessierte das Projekt anschauen. Darüber hinaus wird das Kunstwerk beim Rat der Europäischen Union in Brüssel, im Europäischen Parlament in Straßburg und im Auswärtigen Amt in Berlin als Installation präsentiert. So holt es die Stimmen der Jugendlichen direkt in die Zentren der europäischen Politik. „Kinder sind Experten. Wir sollten uns an sie wenden, uns von ihrer Vorstellungskraft inspirieren lassen, ihnen wirklich zuhören und von ihnen lernen“, sagt Eliasson.

Bundesaußenminister Heiko Maas hatte Eliasson im vergangenen Jahr ernannt, eine führende Rolle im Kulturprogramm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu übernehmen „Mit dem Kunstwerk von Olafur Eliasson schaffen wir einen digitalen Raum für junge Menschen, zum Austauschen, Streiten und Zusammenschließen. Gerade in der aktuellen Situation müssen wir physische Distanz durch kulturelle Nähe überwinden und persönliche Begegnung in digitalen Räumen fördern“, sagte Maas und nahm damit Bezug auf die Distanz, die durch die COVID-19-Pandemie diesen Frühling entstanden ist. „Das Kunstwerk von Olafur Eliasson steht genau dafür: Menschen trotz physischer Distanz in einem gemeinsamen digitalen Raum der Kultur zu verbinden und ihnen Gehör zu verschaffen.“

Das Kunstwerk wird vom Auswärtigen Amt finanziert und in Kooperation mit dem Goethe-Institut realisiert.

Einheit in Vielfalt

Im Rahmen des Kulturprogramms der Präsidentschaft stehen Projekte im Vordergrund, die alle Menschen Europas zur Teilnahme einladen und so die europäische Öffentlichkeit stärken.

Wie sieht ein Europäer oder eine Europäerin aus? Der deutsche Fotograf Carsten Sander hat 1000 Menschen aus allen EU-Mitgliedsstaaten porträtiert und daraus in seiner Sammlung „Gesichter Europas“ ein Mosaik ganz unterschiedlicher Persönlichkeiten zusammengestellt. Die Fotografien werden im Herzen der EU zu sehen sein – in den Gebäuden des Rates der Europäischen Union in Brüssel.

Für das Projekt „Europa im Film“ hat eine Jury zwölf Kurzfilme von Studentinnen und Studenten deutschsprachiger Filmhochschulen ausgewählt. Sie zeigen, welche Themen die Menschen in Europa zurzeit am meisten beschäftigen. In „Ich bin Europäerin“ erörtern drei Frauen ihre Vorstellung von Identität und vergleichen ihre Erfahrungen. In „Morning Call“ unterhalten sich europäische Kinder mühelos in unterschiedlichen Muttersprachen über ihre Lösungsideen für Umweltprobleme. Die Filme sind ab Ende Oktober 2020 live zu sehen.

„Pathways - Europe at your fingertips“ ist ein vom Art Directors Club initiiertes und vom Auswärtigen Amt gefördertes mobiles Game. Die Spielerinnen und Spieler betreten eine Augmented-Reality-Karte von Europa und reisen mit fünf Protagonisten durch Paris, Athen, Brüssel, Tromsø und Plowdiv. Sie erleben Abenteuer, die in der Vergangenheit oder der Zukunft spielen und sie vor Herausforderungen stellen, ihnen aber auch Hoffnung geben. Alle überschreiten dabei nationale Grenzen – doch nur in einem vereinten Europa kann sich die Karte ganz entfalten.

Partizipative Kunst an ungewöhnlichen Orten

In den folgenden fünf Projekten der deutschen Ratspräsidentschaft werden Europäerinnen und Europäer aller Altersgruppen und Milieus kulturelle Begegnungen in ihren Wohnungen, an öffentlichen Orten in der Nachbarschaft oder sogar in einer neuen europäischen Stadt haben. Die Projekte werden vom Goethe-Institut mit seinem europaweiten Netzwerk geplant und koordiniert:

„Europaküche“ geht dem Konzept der Gastfreundschaft auf den Grund. Ausgangspunkt ist der private Küchentisch. Europäische Künstlerinnen und Künstler aller Bereiche werden mit ihren „Zutaten“ zehn private Küchen in ganz Europa besuchen und so neue Arten der Begegnung und des Austauschs schaffen, sowohl virtuell als auch live.

Im Wettbewerb „#oekoropa trip“ suchen europäische Schülerinnen und Schüler nach der klimaschonendsten Reise zwischen den drei Hauptstädten der Triopräsidentschaft – Berlin, Lissabon und Ljubljana – und ihrer Heimatstadt. Die zehn Gewinnerteams, deren Mitglieder zwischen 16 und 19 Jahre alt sind, werden sich 2021 auf ihre emissionsreduzierte Reise begeben.

Mit dem Projekt „Generation A=Algorithmus“ wird erforscht, inwieweit künstliche Intelligenz (KI) das Leben der Menschen in Europa in den Bereichen Arbeit, Kreativität, Gesundheit, Bildung, Privatsphäre und Klimawandel beeinflussen und verändern wird. Im Rahmen von Klima-Hackathons, KI-Residenzen, Robots-in-Residence und einer Reihe von Online-Vorträgen werden die Auswirkungen von KI auf diese Themenfelder beleuchtet. Das Projekt des Goethe-Instituts wird im Herbst 2021, am Ende der deutschen Ratspräsidentschaft, mit einem Festival der Generation A und der Präsentation einer Abschlussbotschaft enden.

Mit „Erzähl mir von Europa“ sollen Gespräche über Europa, seine Geschichte und seine Zukunft zwischen den Generationen angeregt und dabei Ost und West wieder zusammengebracht werden. Die Diskussionen zwischen Alt und Jung werden in zehn europäischen Städten stattfinden und sich auf eine Sammlung von Interviews mit Zeitzeugen stützen. Im „Europäischen Archiv der Stimmen“ sind die Gedanken von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zusammengetragen worden, die vor 1945 geboren wurden. Alle haben durch ihre intellektuelle Arbeit den europäischen Diskurs mitgestaltet.

„Verschwindende Wand“ ist eine interaktive Installation, die Zitate aus der alten und zeitgenössischen europäischen Kultur zusammenführt. Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Europa konnten ihre Lieblingszitate aus Liedern, Gedichten, Büchern usw. einsenden. Eine Auswahl von 6000 Zitaten wird in verschiedenen Sprachen auf Holzblöcke gedruckt. Diese werden in eine Wand eingelassen und an vielen öffentlichen Plätzen Europas zu sehen sein. Passantinnen und Passanten können einen Holzblock aus der Wand mitnehmen. Nach und nach wird so die leere Wand sichtbar und die Barriere verschwindet.