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Es sind Geschichten, die unter die Haut gehen. Geschichten von ehemaligen Grenzern, die sich an die Zeit des Eisernen Vorhangs erinnern. Von jungen Europäern aus Polen, Lettland und Italien, die auf der Suche nach dem Glück in einer Berliner Notunterkunft stranden. Von Geflüchteten, die im Lager die Hoffnung nicht verlieren. Von Frauen, die für Gleichberechtigung streiten und Kindern, die sich in der Quarantäne im Corona-Sommer nach draußen träumen. Die Geschichten sind so unterschiedlich wie die jungen Filmemacherinnen und Filmemacher, die sie entwickelt haben. Mal abstrakt und allegorisch, mal leise und suchend, mal schrill und konkret. Und immer berührend.

Wie sehen junge Menschen das vereinte Europa? Was schätzen, was kritisieren sie? Welche Themen bewegen die Filmschaffenden? Das will das Projekt „Europa im Film“ herausfinden. Gefördert durch das Auswärtige Amt hat die Deutsche Filmakademie Produktion anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft Ende 2019 einen Kurzfilmwettbewerb für Studierende an deutschsprachigen Filmhochschulen und Freischaffende ins Leben gerufen. „Mit dem Wettbewerb wollen wir die Auseinandersetzung mit Europa fördern und in die europäische Öffentlichkeit tragen“, sagt Claudia Loewe, Produzentin und Geschäftsführerin der Deutschen Filmakademie Produktion in Berlin. „Gerade das Medium Film ist dafür hervorragend geeignet, weil es so intensiv und vielfältig ist und weil es viele Menschen bewegt.“

Anlass für viele Geschichten, heute in Film oder Literatur, einst in der griechischen Mythologie: Europa, hier auf dem in einen Stier verwandelten Zeus © Deutsche Filmakademie/Moana Doll
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55 Konzepte von 11 Hochschulen und vier freien Filmemachern wurden eingereicht. Zwölf wählte die hochkarätig besetzte Jury der Deutschen Filmakademie aus. Im Herbst 2020 - coronabedingt einige Monate später als geplant – starteten die Filmarbeiten. Ursprünglich war Europa im Film als grenzüberschreitendes Projekt angelegt. Die Filmideen sollten insbesondere in Kooperation mit Teams aus Portugal und Slowenien produziert werden, weil Deutschland mit beiden Ländern in der Triopräsidentschaft eng zusammenarbeitet. Doch aufgrund der Covid-19-Pandemie war das kaum möglich.

„Sehr spannend war für uns zu sehen, dass sich viele Konzepte um drei Themen drehen“, so Produzentin Loewe. Erstens, Grenzen in Europa. Wie selbstverständlich ist ein grenzfreies Europa längst geworden, wo drohen Grenzen wieder zu entstehen? Zweitens, die Reflexion des Themas „Festung Europa“. Viele Filmschaffende setzen sich kritisch damit auseinander, wie privilegiert Menschen in Europa sind. Sie fragen: Was bedeutet das, wie sollten wir damit umgehen und inwiefern macht es uns blind für Ungleichheit und Ausgrenzung, auch in Europa selbst? Drittens, europäischer Feminismus. Gibt es ihn überhaupt und was ist darunter genau zu verstehen? Denn die Situation von Frauen ist von Land zu Land sehr unterschiedlich – auch in Europa.

„Dabei spricht aus allen Filmen eine pro-europäische Haltung. Die Filmschaffenden teilen offenbar das Gefühl, dass es ein Privileg ist, Europäerin oder Europäer zu sein. Und doch setzen sie sich gleichzeitig auffallend kritisch mit Europa auseinander“, so Moana Doll, eine der Projektkoordinatorinnen. „Ich denke, dahinter steht die Überzeugung, dass wir gerade diesen kritischen Blick auf das vereinte Europa brauchen, wenn wir seine Errungenschaften erhalten möchten“.

Die besten drei Filme werden von einer Jury prämiert. Die Preise sind mit je 3000 Euro dotiert. Zudem gibt es einen Publikumspreis, der ebenfalls mit 3000 Euro dotiert ist.


Lust mitzumachen?

Welcher Film erzählt aus Ihrer Sicht am Eindringlichsten von Europa? Vom 4. bis 10.12. können Zuschauerinnen und Zuschauer auf www.alleskino.de ihren Favoriten wählen.

© unsplash Markus Spiske
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12 x Europa im Film. Erste Einblicke:

DIE EHEMALIGEN GRENZORTE

Ein Film über alte Grenzorte zwischen Ost und West und drei Menschen, deren persönliches Schicksal eng mit ihnen verknüpft ist. In jeder Geschichte gibt es einen Schlüsselmoment an der Grenze, der das Leben der Protagonisten für immer verändert hat.

Regie & Produktion: Paul Scholten, Louis Merki, Welf Reinhart; Hochschule für Fernsehen und Film München

DER GRENZER

Seit Jahrzehnten wacht ein Grenzer über einen Posten im Wald. Die Zeiten sind friedlich, die Grenze steht offen. Bis ein junger Nachfolger erscheint, der den Alten ablösen und den Schlagbaum wieder schließen soll. Der Grenzer muss sich entscheiden - zwischen Systemtreue und seinen eigenen Werten. Eine Parabel über Verantwortung, Freiheit, und Mut.

Regie & Produktion: Sven Gielnik, Julian Haisch, Moritz Lauer; Filmakademie Baden-Württemberg

THE BATTLE FOR OUR VOICES

Der Film portraitiert Natalia, eine Frau, die sich für Menschenrechte und Gleichberechtigung einsetzt und gegen das Verbot von Abtreibung protestiert. 2016 organisierte sie in Polen den ersten nationalen Frauenstreik, den Schwarzen Montag. Daraus entstand der Internationale Frauenstreik, eine Koalition von Frauen aus mehr als 60 Ländern der Welt.

Regie & Produktion: Jennifer Mallmann, Fabienne Priess; Filmakademie Baden-Württemberg

GÖTTERDÄMMERUNG

Eine wohlhabende Gemeinschaft begibt sich für eine Seebestattung an Bord einer Yacht im Mittelmeer. Auf dem Rückweg kollidiert das Schiff mit etwas Großem, das unter der Wasseroberfläche treibt. Ein bewusstloser Stier wird geborgen und auf den Strand gebettet. Eine Metapher für Europa?

Regie & Produktion: Faraz Shariat, David Uzochukwu, Nico Blandeknhorn, Jens Maier-Rothe; Freie Einreichung

HANDBOOK FOR A PRIVILEGED EUROPEAN WOMAN

Es gibt Menschen, die reiten einen Bullen und alle denken: Wow, er bezwingt die Natur. Und dann gibt es Menschen, die reiten einen Bullen - und alle sehen nur ihre Oberweite, die in Bewegung gerät. Jackie gehört zu der zweiten Kategorie und will endlich anders wahrgenommen werden.

Regie & Produktion: Alma Buddecke, Stella Markert, Felix Schreiber; Filmakademie Baden-Württemberg

NEVER AGAIN 1943

Lea und Thomas spielen unter einem großen Baum, als sie heimliche Zeugen einer Exekution werden. Wie hypnotisiert rennt Lea einem Schmetterling hinterher und gerät so zwischen Soldaten und Geiseln. In einer traumartigen Sequenz beginnt sie Details zu beobachten. Sekunden vor dem Moment der Grausamkeit, werden die Personen aus einem kindlichen Blickwinkel beschrieben, der noch keine Ungleichheit und Rassismen kennt.

Regie & Produktion: Mario Dahl, Stefanie Gödicke, Magdalena Wolf; Filmakademie Baden-Württemberg

HOTEL EUROPA

Eine Berliner Jugendherberge, die während der Corona-Pandemie zu einer Notunterkunft für Wohnungslose wurde, wird plötzlich geschlossen. Was macht das mit den Menschen, die hier Zuflucht gesucht haben? Drei Portraits.

Regie & Produktion: Nele Dehnenkamp, Franzis Walther; Filmakademie Baden-Württemberg

STADTPINGUIN

Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf den Lebensalltag von Kindern? Eingeengt in ihrer heißen Wohnung erfinden zwei Schwestern im Sommer 2020 Abenteuer für ihren verlorenen Plüschpinguin.

Regie & Produktion: Florinda Frisardi, Daria Wichmann, Cecilia Trautvetter; Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin

MOTHER OF FREEDOM

Der Film beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Pandemie auf Geflüchtete in Griechenland. Im Mittelpunkt stehen Parwana und Arash, die in einem Camp im Norden Athens leben. Im Zentrum steht ihr Bild von Europa. Welche Träume verbinden sie mit Europa? Wie haben sich diese verändert?

Regie & Produktion: Julius Schmitt, Feline Gerhardt, Tim Kohlen; Filmakademie Baden-Württemberg

NICHT WEIT RAUS

Für sein Training begibt sich ein Extremschwimmer zur Morgendämmerung ans Meer. An diesem Tag ist der Wellenschlag sehr hart, der Mann kann sich kaum über Wasser halten. In seinen wahrscheinlich letzten Momenten macht er eine unerwartete Entdeckung.

Regie & Produktion: Beran Ergün; Hochschule Mainz

SALIDAS (span., AUFBRÜCHE)

Ein fiktiver Tanzfilm, der die Geschichte der Bestatterin Giralda erzählt, die Verstorbene ins Jenseits begleitet. Der Mix aus kraftvollem Flamenco-Tanz und der Umgebung im Schiffshebewerk Niederfinow, ist eine allegorische Auseinandersetzung mit Nord- und Südeuropa, Bewegung und Stille, Abschied und Ewigkeit.

Regie & Produktion: Michael Fetter Nathansky, Virginia Martin, Anna-Sophie Philippi; Freie Einreichung

KATZENJAMMER

Einem jungen Flüchtling wird Hilfe verweigert. Blind vor Hunger, tötet er in einem Dorf schließlich eine Katze. Das Treffen mit dem Besitzer, einem alten Bauern, bringt eine unerwartete Wendung.

Regie & Produktion: Flavio Yuri Rigamonti, Marina Ghersinich; Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin


Weitere Informationen über das Kulturprogramm zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft finden Sie hier oder im folgenden Film.

Das Kulturprogramm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft